Erinnerung an eine wundervolle Zeit

Erinnerung an eine wundervolle Zeit

Donnerstag, 9. Oktober 2014

Mein persönlicher Kulutrschock: Pokot

Hallo...
WIe vielleicht schon die meissten mitbekommen haben: ich bin wieder in Deutschland. Ich habe mir ein bisschen Zeit gelassen, hier im Block über unser Projekt in Pokot zu schreiben. Das hat auch einen Grund. Es war krass! Ich wollte hier nicht einfach unreflektiert nen Bericht runterschreiben, worüber ich mich hinterher ärgere. Deshalb hatte ich jetzt ein paar WOchen Zeit mir darüber Gedanken zu machen, wie ich die Zeit in Pokot erlebt habe und wie ich es für mich persönlich beurteile.
Insgesamt war die Zeit absolut genial. Und ich habe es auch schon ansatzweise berichtet. Wir waren ein super Team. Zunächst noch etwas gesplittet. Die Deutschen setzten sich zusammen aus Papa, mir, einem Schwaben (!) und einer Bayerin, die sich selbst aber als Österreicherin identifiziert. Schon dort gab es kulturelle Besonderheiten, wobei es vor allem viele Späße gab. Besonders die komischen Sprachen. Sehr lustig. Aber unter den Kenianern im Team gab es noch viiiel größere Unterschiede. Und das waren nicht nur sprachliche. Nichts desto trotz wurden wir schnell alle ein Dream-Team. Muss man auch. Wir sind nämlich nicht eben mal einfach so in nen anderen Teil von Kenia gefahren. Wir sind an das Ende gefahren. An das Ende von Kenia. Das Ende von Strom und Wasser. Das Ende von Einkaufsmöglichkeiten. Das Ende von Bildung. Das Ende von Emanzipation. Das Ende von allen Definitionen von Strassen. Das Ende von Technik. Kurz gesagt: das Ende der Welt. Und das ist keine Methapher sondern das meine ich genau so. Wir kamen in eine Welt, die ich mir nie zu träumen gedacht hätte. Leider ist dort auch nicht alles rosig. Natürlich habe ich es genossen, fernab von Handyempfang, Internet, Feministinnen, Autolärm,... zu leben.
Die schönen Seiten entdeckt man sofort: Eine atemberaubende Landschaft. Ein Traum!
Nachts ein unfassbarer Sternenhimmel. Kein Lärm. Nur Natur. Und es gibt nichts schöneres auf der Welt, als auf diese simple Art und Weise zu leben. Sich nachts in den Busch stellen und unter freiem Sternenhimmel Wasser überzuschütten: nennt sich dann duschen. Einfach toll. Sich Sorgen zu machen, hilft nicht viel: Ich war für die medizinische Versorgung zuständig. Aber wenn ernsthaft etwas passiert wäre--> das nächste Krankenhaus ist 4 Stunden Autofahrt entfernt. Also hilft nur sich entspannen und wenn was passiert- das Beste draus machen. Und tatsächlich: Man lernt einfach sich zu entspannen und dem Herrn zu vertrauen. Bleibt einem auch nix anderes übrig. Eine tolle Erfahrung.
Jedoch hatte der Einsatz auch ziemlich viel Schockierendes: Die Kultur der Pokot ist komplett ohne den Einfluss des Westens. Natürlich stellt man sich das echt schön romantisch vor. Und zum Teil stimmt es auch. Ich bin mit Sicherheit kein Fan unserer Kultur. Aber manche Dinge haben mich tief bewegt. Wenn die Hälfte der Bevölkerung ganz offensichtlich leidet, dann komme ich auch an den Punkt, wo ich etwas verändern möchte. Hier in Deutschland setzte ich mich bisher nicht für Frauenrechte ein. Eher im Gegenteil, ich finde es etwas übertrieben. Doch dort- da kann ich nicht anders. Diese Geschichten kennen wir schon aus Fernsehen und co. Doch die Frauen kennen zu lernen und das live mitzuerleben- das ist etwas völlig anderes. Die Mädchen werden beschnitten. Natürlich nicht mehr offiziell. Es ist schließlich verboten. Doch inoffiziell schon. Und egal ob es verboten ist, oder nicht- jedes Mädchen, welches heutzutage beschnitten wird, ist eine Tragödie. Und die Beschneidung ist nicht das Einzigste. Sie werden jung verheiratet. Sprich, ab 14-15 Jahre. An den Mann, der das höchste Gebot macht. Anschließend haben sie ein unglaublich schweres Leben. Die Frau sorgt sich um die Kinder, sie kümmert sich um die Plantagen, sie geht arbeiten, sie kümmert sich um den Haushalt, sie geht zum Fluß Wasser besorgen, sie baut das Haus.... und der Mann? Der macht nichts. Oh entschuldigung. Er ist für den Schutz der Dorfgemeinschaft verantwortlich. SPrich: er sitzt den ganzen Tag mit den anderen Männern rum und betrinkt sich. Wenn es ihm aber gefällt, sucht er sich noch eine zweite oder dritte Frau. Muss man verstehen- mit nur einer Frau ist man halt echt ein Versager. Wenn diese Frauen einen unglaublich glücklichen Eindruck gemacht hätten, würde ich zum Entschluss kommen- ok, sie möchten so leben, also ziehen wir uns einfach wieder zurück. Doch ehrlich gesagt- ein Blick in die Gesichter der Frauen- sie sind nicht glücklich. Sie sind unglaublich stark. Das ja. Dieser Eindruck prägt mich bis heute. In Zukunft würde ich gerne etwas für dieses Gebiet tun. Und diesen Eindruck teile ich auch mit anderen, z.B. Pastor Mwangi. Es geht mir nicht darum, dass diese doch gefälligst westlich leben sollen. Aber das Leiden dieser Frauen wenigstens zu veringern- das wäre etwas. Wir haben in unserem Team schon ein Stück Vorarbeit geleistet: Und nein, wir sind nicht hingegangen und haben allen dort mal erklärt, was sie falsch machen. Nein. Wir haben ihnen es ein stückweit einfach vorgelebt, wie es auch geht. Wir haben als Team funktioniert. Und das echt 1a. Das bedeutet, dass auch die Männer mitgearbeitet haben. Und das hat Eindruck hinterlassen: Männer, die abspülen, Männer, die Wasser tragen... Es hat zumindest zum Nachdenken angeregt.
Als weitere mögliche Schritte gibt es so viel, dass ich es hier nicht aufzählen kann. Ein Schritt ist mit Sicherheit Bildung. Es gibt dort kaum Schulen. Wir waren in einer SChule. Der Schulleiter "Das ist das Ende von Kenia. Schaut dort rüber. Ihr werdet in 400 km keine einzigste SChule finden. Kein Krankenhaus. Keine Kirche." Diese SChule bestand aus 2 Räumen. Und die Kinder waren arm. Wirklich arm.
Es waren auch nicht viele Kinder dort. Die Menschen dort haben von Anfang an keine Chance. Sie können selten eine Schule besuchen. Und wenn, dann nur die Primary (bis Klasse 8). Die Secondary-Schulen sind irre weit weg und eh zu teuer. Kaum einer schafft es darüberhinaus. Und kaum einer schafft es in die Politik, um systematisch in dieser Gegend etwas zu bewegen. Dieser Stamm ist eine Minderheit. Und diese Minderheit wird bewusst unterdrückt und ausgeschlossen. Wenn diese Menschen so leben möchten- dann können sie es natürlich gerne tun. Aber ich finde es schon erschreckend, dass sie einfach keine Wahlmöglichkeit haben.
In meinem Kopf schwirrt zudem eine andere Idee, die vor allem die Pflegenden interessieren dürfte: An einer anderen SChule (ca. 150 Schüler) habe ich 7 Kinder mit schwersten Missbildungen gefunden. Vermutlich haben sie diese Fehlstellungen an Arm und Beinen schon seit ihrer Geburt. Ich weiß, dass man die meisten nicht operieren kann. Jedoch möchte ich wissen, wodurch dies entsteht. So viele Kinder, und ich habe mir nicht alle Kinder angeschaut. Vermutlich sind unter den 150 Kindern noch andere mit Missbildungen, die allerdings wohl nicht so dramatisch sind. Hier in Deutschland hätte man schon längst nach Ursachen geforscht. Einfach, um weitere Fälle zu vermeiden. Doch wer interessiert sich für ein paar Kinder am Ende der Welt? Ob diese Kinder noch weniger Chancen für ihr Leben haben- was macht das aus? Ehrlich gesagt macht es mir etwas aus. Und als Christin weiß ich auch, dass es Gott etwas ausmacht. Deshalb werde ich versuchen, irgendetwas zu bewegen. 2 Kinder werden hoffentlich operiert. Ich organisiere dies gerade mit einem Pastor vor Ort. Aber ich möchte nicht wissen, wie viele weitere Kinder es im Busch gibt, die ich nicht gesehen habe. Ich würde schrecklich gerne mehr dort tun. Mehr als das Leben von 2 Kindern verändern. 2 Kinder sind toll. Aber es sind sooo viel mehr Kinder dort, die einfach eine Chance brauchen.
So sehr ich das auch umsetzen mag, umso mehr weiß ich auch, dass Gott dahinter stehen muss. Es ist wirklich am Ende der Welt. Und da hat man nicht mal eben schnell was klar gemacht. Doch trotz aller Umstände ist mit Gott einfach alles möglich. Es wäre toll, wenn ihr dafür betet.
Es gibt noch soviel mehr zu berichten. Aber ehrlich gesagt waren es auch viele lustige Geschichten. Und ich mag derzeit keine lustigen Geschichten erzählen. Ich erzähle sie euch gerne, wenn wir uns treffen.

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